Hafemann, Gottfried: MONREPOS

Katalogtext zur Ausstellung ‚DER  ORTdas Material des Bildhauers, Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden, 2000

Anna Tretter durchwirkt immer wieder in ihren Arbeiten das Außen von Räumen mit dem Innen. Mittels Videospiegelungen oder der Umlenkung des Lichtes via Spiegel macht sie geschlossene Räume durchlässig und fügt neu zusammen, was zusammengehört.

„Die Künstlerin, deren Arbeiten in der konstruktiv minimalistischen Tradition stehen, arbeitet seit einigen Jahren vermehrt im Medium der Installation. Hier setzt sie für ihre Arbeit grundlegende Themen wie die Spannungsfelder von Zweidimensionalität und Dreidimensionalität, Illusion und Wirklichkeit, Rationalität und Emotionalität über form- und materialanalytische Vorgehensweisen in reduzierte >Raumbilder< um. Mit ihren Raumarbeiten steht die Künstlerin besonders dem Ansatz der Minimal Art nahe, die Plastik nicht als umgehbares, bewegliches Objekt, sondern als >Ort< versteht: das Kunstwerk als Schaffen einer räumlichen Wirklichkeit, einer begehbaren und erlebbaren Situation“, schrieb Beatrix Ruf 1996 anlässlich der Raumarbeit >Konjunktiva< in Zug am Zugersee.

1999 ließ Anna Tretter in der Görbelheimer Mühle das Wasser der Wetter an der Wand bergauf fließen. Per Projektion leitete sie quasi den hinter dem Haus vorbeifließenden Mühlbach, die Wetter, durch das Gebäude. „Spiegelungen, Brechungen und Kontraste bestimmen die Strategie der Künstlerin – gleich in welchem Medium sie arbeitet. Doch geht es ihr nicht bloß um den pittoresken Effekt, um die gelungene Irritation. Die Videoinstallation in der Mühlenkammer ist dafür ein Prachtbeispiel. Zum einen bietet die Videotechnik Tretter das ideale Medium, um das Wesen des Wassers bildlich zu repräsentieren. Das Fließen der Zeit, das Schillern der Lichtreflexe an der Oberfläche: Dies verbindet sich schlüssig mit den Charakteristika des Mediums Video; Künstler wie Fabrizio Plessi und Nam June Paik haben dies mit ihren elektronischen Bilderflüssen eindrucksvoll bewiesen. So verwandelt auch Tretter das Wasser in ein entstofflichtes Flirren, in helle Reflexe, die als monumentales Lichtgemälde durch den dunklen Mühlenraum irrlichtern.“ (Thomas Wolff in der Frankfurter Rundschau)

Auch im Kunstverein ist das neu gesetzte Fenster mehr und weniger als ein Fenster. Es ist das Zittern von Schatten des Laubes, durch das sich Licht Bahn bricht, welches auf dem Screen des Vorhanges bewegtes Bild wird.

Gottfried Hafemann, MONREPOS, in: ‚DER  ORTdas Material des Bildhauers, Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden, 2000